von Florian Zinner
Alles ganz natürlich: Der Vulkan macht’s vor
Was ein Vulkan kann, was Saharastaub kann, das kann die Menschheit schon lange. Und ein halbes Grad – na, das wäre ja schon mal was im Kampf gegen den Klimawandel: “Natürlich geht es beim Solaren Geoengineering jetzt nicht darum, Vulkane zum Ausbrechen zu bringen, aber es geht um dasselbe Prinzip. Es geht um kleine, reflektierende Partikel in der Stratosphäre, wo tatsächlich Millionen von Tonnen dieser Partikel Billionen von Tonnen von CO2 wettmachen könnten. Also kleinste Mengen.” Diese Klarstellung kommt von Gernot Wagner, österreichisch-amerikanischer Klimaökonom an der Columbia Business School in New York. Wagner hat dem Thema vor einigen Jahren ein ganzes Buch gewidmet. Und es dauert nicht lange, da erwähnt er einen Zielkonflikt, der seit einigen Jahren immer wieder von sich reden macht: “Also die Arktis ist heute ungefähr ein halbes Grad wärmer als sie es gewesen wäre, hätten wir in Europa, Deutschland, Nordeuropa, nicht Schwefeldioxid von den Schornsteinen entfernt.”
Schon allein aus gesundheitlichen Beweggründen gibt es an der Maxime, die Atemluft sauber zu halten, nichts zu rütteln, dieser Überzeugung ist auch Wagner. Macht nur leider den praktischen Nebeneffekt der Kühlung zunichte, aber genau da könnte man jetzt ja nachhelfen. Eben, indem man Schwefeldioxidpartikel in die Stratosphäre bringt, etwa mit einem Helium- oder Heißluftballon oder Militärjets. Derartige Überlegungen sind sogar noch älter als der Ausbruch des Pinatubo. Nun weiß man von Schwefeldioxid, dass es die Ozonschicht schädigt. Deshalb gibt es noch andere Ideen, Aluminiumdioxid etwa oder Calciumcarbonat, also Kalk. “Teilweise geht es tatsächlich auch in die Richtung von Diamantenstaub”, erklärt Wagner. “Klingt vielleicht romantisch, ist es in diesem Fall nicht.”
Ob aus Schwefel, Alu oder Diamant – wie die Sonnenbrille der Erde nun genau beschaffen sein muss, ist also noch nicht ganz geklärt. Die Frage, die besonders nach dem Winter viele beschäftigen dürfte, ist: Würde ein solches Vorhaben im wahrsten Sinne des Wortes die Freude an der Frühlingssonne trüben? Gernot Wagner entwarnt: “Es geht darum, die Sonne zu verdunkeln in so einem Ausmaß, dass kaum jemand davon wirklich etwas merken würde. Sonnenaufgänge und -untergänge könnten eventuell etwas roter sein. So wie sie es auch jetzt sind, durch bodennahe Luftverschmutzung.” Ja, Romantikerinnen und Romantiker haben ein Faible für Smog und vielleicht künftig auch fürs Solare Geoengineering.
Keine Empfehlung an die Regierungen
Für Gernot Wagner von der Columbia-Universität gehört die Technik sowieso nicht in die Hände von privaten Unternehmungen – zu risikoreich. Außerdem hat das Solare Geoengineering ein Grundproblem, so wie jede technische Maßnahme, das Klima wieder zurechtzurücken: Sie könnte Lösungen aufhalten, die tatsächlich die Ursachen der Schmerzen der Erde bekämpft, nicht nur die Symptome. Wagner befürchtet ein wenig hilfreiche Denke: “Hey, CO2-Steuer brauchen wir nicht, Wärmegesetz brauchen wir nicht, wir können weiter tun wie bisher. Und im Endeffekt, wenn es tatsächlich zum Klimawandel kommt, fange ich halt mit dem Solaren Geoengineering an”, ulkt er. “Das Schlimmste überhaupt wäre, wenn da jetzt irgendwer um vier Uhr in der Früh von seinem goldenen Thron twittert: Hier gibt es die Lösung zum Umweltschutz, zum Klimawandel.”Derzeit würde Wagner also davon absehen, die Technik als pragmatische Klimaschutzmaßnahme zu empfehlen. Eine Intervention vielleicht, aber nichts, was nachhaltig Emissionen reduziert. Auf der anderen Seite: Die Technik könnte Menschen und Staaten dazu bewegen, Emissionen tatsächlich zu reduzieren – nämlich dann, wenn sie vermeiden möchten, dass diese Sonnenbrille der Erde irgendwann dringend aufgesetzt werden muss.
Zitiert in: “Sonnenbrille für die Erde: Durch Verdunklung gegen den Klimawandel?” von Florian Zinner, MDR Wissen (4. April 2025).