Der Standard: “Climateflation”

von Jakob Pallinger

Teurere Energie
“Climateflation ist durchaus eine Entwicklung, die durch immer mehr und stärkere Extremwetterereignisse befördert wird”, sagt Gernot Wagner, Klimaökonom an der Colombia Business School in den USA. Dass sich Preise erhöhen, sei nicht nur Ernteausfällen, sondern beispielsweise auch teureren Versicherungen geschuldet, die angesichts der wachsenden Risiken durch den Klimawandel in die Höhe schnellen.

Wagner warnt jedoch davor, den Klimawandel und Extremwetter als einzige Gründe für Preiserhöhungen bei Lebensmitteln zu sehen. Ein großer Teil der Preissteigerungen in jüngster Zeit sei beispielsweise auf die teureren fossilen Energien zurückzuführen – eine Entwicklung, die auch als “Fossilflation” bezeichnet wird. Das schlage wiederum auf den Preis von Lebensmitteln durch, deren Produktion teils sehr energieintensiv ist. Weizen wiederum hat sich auch aufgrund des Krieges in der Ukraine verteuert, da das Land ein großer Weizenproduzent ist.

“Es geht um Profit”
Zucker ist wieder eine eigene Sache. Denn der Rohstoff wird nicht nur als Nahrungsmittel, sondern auch in großem Stil für die Herstellung von Bioethanol als Treibstoff verwendet. Steigen die Ölpreise, wie beispielsweise im vergangenen Jahr, führt dies im Normalfall zu einer höheren Nachfrage nach Biokraftstoffen, die als Alternative dienen. Das treibt die Produktion in Ländern wie Brasilien in die Höhe, das zu den größten Produzenten von Biokraftstoffen zählt – was wiederum zu einem höheren Zuckerpreis führt.

Nicht zuletzt spielt auch die Preispolitik der Unternehmen eine große Rolle, sagt Wagner. “Für Unternehmen ist das womöglich eine gute Ausrede: Sie wollen eigentlich niedrige Preise, aber der Klimawandel ‘treibe’ sie zur Preiserhöhung.” Am Ende gehe es meist um Profit. “Wenn es möglich ist, mehr für Produkte zu verlangen und diese trotzdem zu verkaufen, dann passiert das auch.”

Überraschende Kosten
“Eine solche Anpassung ist sicher möglich”, sagt Wagner. Verlassen sollten wir uns darauf aber nicht. Denn die Veränderungen, die durch den Klimawandel passieren, seien kaum vorhersehbar – ebenso wenig die Kosten, die durch Wetterphänomene und Anpassungsmaßnahmen entstehen. “Das kann eine überraschende Überflutung, Hitzewelle oder Dürre sein, die plötzlich zu weit schlimmeren Ernteausfällen führt.”

Treffen werde das vor allem ärmere Länder, in denen schon heute Geld für die Anpassung an den Klimawandel fehlt, sagt Wagner. In denen es keine Versicherung, kein Arbeitslosengeld und starke Abhängigkeiten von einigen wenigen Rohstoffen gibt. “Das ist das noch viel schlimmere Resultat, als wenn in Österreich die Eier ein wenig teurer werden.”

Eine einfache Antwort auf Climateflation gebe es jedoch genauso wenig wie auf den Klimawandel, sagt Wagner. Klar sei nur, dass die Emissionen so rasch wie möglich sinken müssen – und dass das “Subventionieren des Alten” ein Ende haben muss, damit die Kosten für eine Anpassung in Zukunft nicht noch viel höher ausfallen, als sie es heute sind.

Quoted in: “‘Climateflation’: Wird der Klimawandel zum Preistreiber bei Lebensmitteln?” von Jakob Pallinger, Der Standard (11 Jan 2024).

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