Wagner: Differenzierung zwischen Stadt und Land politisch nachvollziehbar
Wien (APA) – Der in New York lehrende Klimaökonom Gernot Wagner warnt davor, den Ökobonus losgelöst vom CO2-Preis zu sehen. Entscheidend sei, was unterm Strich übrigbleibe, nämlich dass ein Häuslbesitzer mit Ölkessel seinen Bonus dafür aufbrauche, jemand mit Wärmepumpe aber nicht. Gleiches gelte für einen Autofahrer, verglichen mit einem Öffi-Fahrer. Die Differenzierung zwischen Stadt und Land sei zwar theoretisch-ökonomisch nicht nachvollziehbar, politisch aber sehr wohl, so Wagner.
Selbst wenn der Ökobonus rein theoretisch vielleicht einen ungewollten finanziellen Anreiz schaffe, aus der Stadt in den Speckgürtel zu ziehen, so seien die Beträge viel zu gering, um tatsächlich relevant zu sein. “Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Pärchen wegen 66 Euro (jährlich, Anm.) entscheidet, vom zweiten Bezirk in Wien ins Tullnerfeld zu ziehen”, so Wagner. Um ein Vielfaches problematischer sei hier die bestehende Pendlerpauschale, die viel stärker falsche Anreize für die Zersiedelung setze. Auch gebe es bei der Flächenwidmung falsche Anreize.
Dass eine CO2-Steuer alleine alle Klimaprobleme löse, sei illusorisch. Insgesamt sei die Einführung des CO2-Preises aber ein großer Fortschritt: “Von 0 auf 15 sei schwieriger als von 30 auf 100 Euro”, sagte Wagner mit Blick auf die USA, wo seit mehr als zehn Jahren um einen CO2-Preis gerungen wird und aktuell 15 Dollar (knapp 13 Euro) im Gespräch sind. Dass Österreich nun mit 30 Euro pro Tonne starte, sei aus politischen Gründen erfolgt, weil man sich an Deutschland orientiert habe, wo der CO2-Preis 2022 von 25 auf 30 Euro steige. Um die wahren Kosten der Treibhausgase abzubilden, müsste der Preis um ein Vielfaches höher sein. pro/kre
Austrian Press Agency, Klimaökonom: „Ökobonus nicht isoliert betrachten“, 4. Oktober 2021. Abgedruckt u. a. von ORF, Tiroler Tageszeitung.