Gute Industriepolitik ebnet den Weg zu effektiven CO2-Preisen

Es gibt handfeste Gründe dafür, effizienten Technologien zum Durchbruch zu verhelfen.


von Monika Schnitzer & Gernot Wagner

Ohne wirksame CO2-Preise ist effiziente Klimapolitik schwer. Dass CO2-Emissionen die Grundursache des Klimawandels sind und damit enorme externe Kosten verursachen, ist klar. Die einfachste Lösung, um die schädlichen CO2-Emissionen in den Griff zu bekommen: Alle bezahlen für die vollen Kosten ihrer Aktivitäten, et voilà.

So leicht ist gute Klimapolitik natürlich nicht. Diejenigen, die bisher am meisten davon profitiert haben, dass sie nicht für ihre externen Kosten geradestehen mussten, protestieren am lautesten, obwohl sie oft auch diejenigen sind, die das finanziell am ehesten stemmen könnten. Fossile Energieunternehmen zählen nun mal zu den profitabelsten Unternehmen der Geschichte – jedenfalls dann, wenn man die externen Kosten, die sie verursachen, nicht berücksichtigt, sondern sie einfach der Gesellschaft aufbürdet.

Eine Klimapolitik, die auf CO2-Preise setzt, ist aber nur dann erfolgversprechend – soll heißen, ist nur dann politisch vermittelbar –, wenn es Alternativen zu fossilen Energieträgern gibt, die bezahlbar sind. Die Umstellung auf emissionsärmere oder -neutrale Technologien kostet selbstverständlich auch Geld. Diese Investitionskosten werden aber häufig überschätzt – Solarenergie, Elektrolyseanlagen zur Gewinnung von grünem Wasserstoff oder Wärmepumpen sind Technologien, die über die Jahre deutlich besser und kostengünstiger wurden und weiterhin werden. Die Kosten für Kohlestrom hingegen haben sich seit mehr als 200 Jahren inflationsbereinigt kaum verändert. Für lange Zeit war Kohle die günstigste Form der Stromgewinnung. Das ist seit Jahren nicht mehr der Fall, egal ob man die externen Umwelt- und Gesundheitskosten berücksichtigt oder nicht.

Die preiswerteste Stromquelle aller Zeiten

Die Kosten für Solarstrom und Batterien, eingesetzt zum Beispiel als Speicher, um die Dunkelflauten zu überbrücken, sind allein in den letzten 30 Jahren um mehr als 99 Prozent gesunken. Gartenzäune aus Solaranlagen mögen zwar noch mehr Kuriosität als allgegenwärtiger Standard sein, aber genau in diese Richtung geht der Trend. Solarenergie ist aktuell bereits die preiswerteste Stromquelle aller Zeiten, und ihre Kosten können nur noch weiter sinken. Weder bei Sonneneinstrahlung noch bei quarzhaltigem Sand oder menschlicher Innovationskraft gibt es harte Grenzen.

Der Innovationsschub, der zu dieser Kostendegression führte, kam aber auch bei der Solarenergie nicht von allein. Um die Technologie billiger zu machen, brauchte es Forschung und Entwicklung, die durch erhebliche staatliche Subventionen gefördert wurden. Danach wurden mit Subventionen ihr Einsatz und ihre Verbreitung unterstützt. Die vor allem anfangs vergleichsweise hohen Einspeisetarife für Solarstrom von über 40 Cent je Kilowattstunde gab es aus gutem Grund: Sie kurbelten die Nachfrage nach Solaranlagen substantiell an.

Diesen Anschubsubventionen liegen handfeste ökonomische Prinzipien zugrunde: Sowohl Forschung und Entwicklung als auch der Einsatz von neuen Technologien gehen mit positiven externen Effekten einher. Die erste Solaranlage zu installieren kostet viel Zeit und Geld, bei der hundertsten geht dies bereits viel effizienter. Dieser „Learning-by-Doing-Effekt“ ist eine positive Externalität, die, wenn man die Marktteilnehmer sich selbst überlässt, zu wenig bereitgestellt wird. Um diese positive Externalität zu internalisieren, sind Subventionen geeignet, so wie man umgekehrt CO2-Preise nutzt, um die negativen Externalitäten der CO2-Emissionen zu internalisieren.

Welche Alternativen sollte der Staat fördern?

Eine Industriepolitik, die Forschung und Entwicklung fördert und durch Ankurbelung der Nachfrage die Senkung der Kosten durch „Learning by Doing“ und Massenproduktion beschleunigt, bereitet also den Boden für eine Klimapolitik, die auf CO2-Preise setzt. Sie sorgt für klimaneutrale Alternativen zu vertretbaren Kosten und fördert die politische Akzeptanz von CO2-Preisen.

So wie dieses Prinzip für Solaranlagen galt, gilt es auch bei der Energie- und Transportwende sowie der grünen Industriepolitik im weiteren Sinn. Ihre Entwicklung und Verbreitung kann durch gezielte Subventionen deutlich beschleunigt werden. Natürlich stellt sich die Frage, welche der möglichen Alternativen der Staat explizit fördern und wie er eine Auswahl treffen sollte. Hier scheiden sich schnell die Geister. Denn wie soll der Staat wissen, welche Technologie die beste ist, was qualifiziert ihn, „picking winners“ zu betreiben?

Bei einem CO2-Preis, der für alle Technologien und Produkte gilt, muss eine solche Entscheidung nicht getroffen werden, er ist technologieneutral. Eine technologieneutrale Subvention würde hingegen bedeuten, alle Alternativen gleichermaßen zu subventionieren. Bei einer Forschungsförderung mag das noch leistbar sein, aber die Markteinführung aller denkbaren Alternativen zu subventionieren würde jeden Staatshaushalt überfordern. Und wäre außerdem ineffizient, wenn komplementäre Investitionen, beispielsweise in den Aufbau einer umfangreichen Netzinfrastruktur, notwendig sind oder eine neue Technologie die andere kannibalisiert.

Effizientere und weniger effiziente Technologien

Wie also eine Auswahl treffen? Sie beginnt mit der Physik, da es grundsätzlich effizientere und weniger effiziente Technologien gibt. Elektromotoren etwa wandeln 90 Prozent ihrer Leistung in Reichweite um – und fahren damit mit derselben Energie etwa fünfmal so weit wie Verbrennungsmotoren mit „e-Fuels“ oder Brennstoffzellen, die mit Wasserstoff betrieben werden. Selbstverständlich sollte jeder Hersteller die Möglichkeit haben, auf seine bevorzugte Technologie zu setzen. Aber den Hochlauf aller Alternativen zu fördern und parallele Infrastrukturen dafür aufzubauen wäre Verschwendung von Steuergeldern. Ähnlich drastisch sieht der Vergleich der Energiebilanz von Wärmepumpen mit der von Heizungen aus, die mit grünem Biogas oder Wasserstoff betrieben werden, oder etwa auch jener von Induktionsherden mit Gasherden.

Das bedeutet keine Absage an grünen Wasserstoff an sich, aber eben nicht für Fahrzeuge, Heizungen, oder etwa Herde, für die es effizientere Alternativen gibt. Den grünen Wasserstoff braucht die Industrie für Anwendungen, bei denen es keine effizientere Alternative gibt. ­E-fuels werden im Luftverkehr dringender gebraucht als im Straßenverkehr. Und selbstverständlich spielen auch für diese Anwendungen industriepolitische Koordination und direkte Subventionen eine wichtige Rolle.

Die Preisvorteile müssen auch bei den Konsumenten ankommen

Die Nutzung von grünen Technologien attraktiver zu machen muss übrigens nicht bedeuten, dass Geld vom Steuerzahler eingesetzt wird. Es kann schon reichen, wenn die Politik sicherstellt, dass die Preisvorteile der erneuerbaren Energie bei den Konsumenten ankommen. Es ist fast egal, wie günstig Solarstrom und Batterien bereits sind oder noch werden können, wenn der Preis am Strommarkt fast ausschließlich durch die Preise an den Gasmärkten bestimmt wird und die niedrigen Kosten der erneuerbaren Energien nicht beim Kunden ankommen. Akzeptanz für neue Technologien zu fördern kann auch bedeuten, ein altes Strompreismodell durch ein neues zu ersetzen.

Am Ende kommt es auf das Zusammenspiel von Subventionen und CO2-Preisen an. Eine gezielte Industriepolitik, die sich als Komplement und Wegbereiter einer effektiven CO2-Bepreisung versteht und dabei auf den effizienten Einsatz der Mittel achtet, kann uns in der Klimawende einen entscheidenden Schritt weiterbringen.

Monika Schnitzer ist Inhaberin des Lehrstuhls für Komparative Wirtschaftsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Vorsitzende des deutschen Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamt­wirtschaftlichen Entwicklung.

Gernot Wagner ist Klimaökonom an der Columbia Business School.

Quelle: “Gute Industriepolitik ebnet den Weg zu effektiven CO2-Preisen” von Monika Schnitzer & Gernot Wagner, Frankfurter Allgemeine Zeitung (24. September 2024).

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