Gespräch mit Antonia Hotter
Die EU-Kommission stuft Atomkraft und Gas als nachhaltig ein. Deutschsprachige Investoren sind empört. Doch Atomkraft ist nicht ganz so schlecht wie ihr Ruf, meint Klimaökonom Gernot Wagner.
Herr Wagner, ist Atomkraft nachhaltig? – Gernot Wagner: Nein, natürlich nicht. Weder nachhaltig noch grün. Aber Atomkraft ist eine CO2-arme Energiequelle.
Gegen die Atomkraft spricht, dass sie extrem teuer ist. Das Geld, das wir in Atomkraft investieren, fehlt beim Ausbau der Erneuerbaren. – Wir dürfen nicht weniger Geld in Solar- und Windenergie stecken. Aber fossile Energie wird weltweit subventioniert, mit rund 100 Milliarden US-Dollar mehr als alle Erneuerbaren zusammen. Es geht darum, dass wir mehr CO2-arme Energie haben und weniger Gas und Kohle. Global gesehen werden immer noch Kohlekraftwerke gebaut. Auch in Deutschland laufen sie noch. Obwohl der Atomausstieg bald stattfindet, soll der Kohleausstieg erst 2030 folgen.
Atomausstieg vor Kohleausstieg ist die falsche Reihenfolge? – Ja, natürlich. Aus Klimasicht ist der sofortige Kohleausstieg das Wichtigste überhaupt. Der Gasausstieg natürlich auch.
Was ist mit den Risiken der Atomkraft? – Das sind Risiken, die wir gegen die Risiken des Klimawandels abwägen müssen.
Komplettes Interview: “Warum Fukushima eine Erfolgsgeschichte ist.” Gespräch mit Antonia Hotter, Börsianer (Juni 2022).
Seit 2019 lehrt der Klimaökonom und Autor an der New York University, davor unterrichtete er an der Harvard University. Dort zog es den gebürtigen Österreicher schon zum Studium hin. Bis zur Promotion blieb er dort, Harvard verließ er nur für ein Masterstudium in Stanford. Der leidenschaftliche Läufer schrieb mehrere Bücher, eines wurde zum Wissenschaftsbuch des Jahres 2017 gekürt. Wenn englischsprachige Menschen fragen, wie man seinen Vornamen ausspricht, sagt Wagner: „So wie Juggernaut, aber ohne Jug.“