Gespräch mit Clara Pfeffer und Christian Herrmann
Donald Trump dreht die Zeit zurück. Erneuerbare Energien und Klimaschutz waren gestern, die Zukunft gehört Öl und Gas. Vorerst. Der austro-amerikanische Ökonom Gernot Wagner spricht von einem dramatischen, aber vorübergehenden Rückschritt. “Die fundamentalen Trends, die Physik und auch die Ökonomie zeigen nur in eine Richtung”, sagt er im “Klima-Labor” von ntv. Selbst Ölmilliardäre fürchten den grünen Kapitalismus: “E-Autos, Wärmepumpen oder auch Induktionsherde sind bessere Technologien, die nicht einfach schlechter werden.”
Auch für Deutschland hat Wagner lobende Worte übrig. “Ihr installiert Solaranlagen mittlerweile als Gartenzäune!”, schwärmt er. Gleichzeitig erkennt der New Yorker auf dem “alten Kontinent” strukturelle Probleme und plädiert deswegen für massive, aber gerechtfertigte Investitionen in ausgewählte Industrien, denn: “Technologieoffenheit ist ein Feigenblatt, um die Förderung alter Energien zu verdecken.”
ntv.de: Donald Trump hat an seinem ersten Tag als US-Präsident erneut den Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen angekündigt, Windkraftprojekte gestoppt und einen Energienotstand ausgerufen, um die Förderung von Öl und Gas zu maximieren. Was macht Ihnen Hoffnung, dass 2025 ein gutes Jahr wird?
Gernot Wagner: Das amerikanische Klima-Pendel ist tatsächlich stark in die andere Richtung geschwungen. Das kommt nicht unerwartet. Jetzt werden vier Jahre lang keine neuen Offshore-Turbinen, aber immerhin die existierenden Windparks weiter gebaut.
Die werden nicht abgerissen? Diese Fantasien gab es auch.
Die werden nicht abgerissen. Die Aktien von Windparkbauern wie Orsted und Turbinenherstellern wie Vestas sind am Tag nach der Trump-Wahl im November trotzdem um 15 Prozent eingebrochen. Aber die fundamentalen Trends, die Physik und auch die Ökonomie zeigen nur in eine Richtung: Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen oder auch Induktionsherde sind bessere, weil effizientere Technologien. Daran kann Trump auch nicht rütteln.
Nicht einmal Trump kann grüne Technologien stoppen?
Nein. Er kann versuchen, eine “Mauer” darum zu bauen, aber das hat an der Grenze zu Mexiko auch nicht geklappt. Auch wenn es gerade dramatisch in die falsche Richtung geht, bleibt die Physik: Verbrenner wandeln 20 bis 40 Prozent des Kraftstoffs in Bewegung um, Elektrofahrzeuge haben einen Wirkungsgrad von 90 Prozent.
Aber dieses Argument funktioniert nur, wenn die Menschen sich auch für die bessere Lösung entscheiden wollen. Aktuell weiß niemand, wie die USA in vier Jahren aussehen.
Probleme gibt es genug, keine Frage. Ich mache mir enorme Sorgen um die Demokratie und die Unabhängigkeit des Justizsystems. Meine Frau ist Abtreibungsärztin. Aber Solarenergie, Elektrofahrzeuge, Induktionsherde und Wärmepumpen sind Technologien. Die können qua Definition nur besser und billiger werden. Denn wir verlernen nicht, wie sie funktionieren, und machen sie auch nicht absichtlich schlechter. Als Jimmy Carter vor 40 Jahren die ersten Solaranlagen aufs Weiße Haus bauen ließ, waren sie hundertmal teurer und ineffizienter als heute. Ronald Reagan ließ sie sechs Jahre später wieder abbauen, das macht heute niemand mehr. Ihr Deutschen installiert Solaranlagen mittlerweile als Gartenzäune! Die sind noch nicht so günstig wie ein Holzzaun, aber es geht in diese Richtung.
Donald Trump wird vom grünen Kapitalismus besiegt?
Es wäre toll, wenn es in Amerika noch Kapitalismus gäbe. Mittlerweile sind wir eher eine Oligarchie, aber das ist wieder ein anderes Problem. Tatsache ist, dass grüner Kapitalismus in vielerlei Hinsicht in die richtige Richtung geht. Das ist auch der Grund, warum die Ölmilliardäre Trump unterstützen: Sie möchten fossile Energien etwas länger aufpäppeln.
Deren Ende wird nur hinausgezögert?
Genau, auch durch Kräfte auf lokaler Ebene. Ich lebe in New York. Die Stadt hat vor zwei Wochen erstmals flächendeckend Mülltonnen eingeführt! (lacht) Zusätzlich gibt es die neue City-Maut: Wenn man mit dem Auto in den Süden von Manhattan will, muss man 9 US-Dollar zahlen. Ist das genug? Nein, die Gebühr internalisiert nicht die gesamte Externalität, um ökonomisch zu sprechen. Aber “Preis rauf, Nachfrage runter” funktioniert. Immer. Die Effekte sieht man bereits: Feuerwehren können schneller fahren, es sterben weniger Menschen. Die Menschen fahren eher mit dem Rad oder den Öffis. Das ist auf Ebene der lokalsten Klimapolitik ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, der hoffentlich dazu beiträgt, dass das Pendel bald auch auf nationaler Eben wieder in die richtige Richtung ausschlägt, vielleicht sogar stärker als vorher.
Mit Trump macht man drei Schritte zurück, nach ihm aber vielleicht sieben Schritte nach vorn?
Hoffentlich, obwohl wir diese Zeit eigentlich nicht haben. Man muss aber auch sagen: Auf globaler Ebene macht es kaum einen Unterschied, ob die amerikanischen Treibhausgasemissionen dieses Jahr zwei Prozent raufgehen, statt vier Prozent zu sinken. Der CO2-Ausstoß verlangsamt sich weltweit.
In Deutschland sind die Emissionen vergangenes Jahr auch gesunken. Das lag allerdings an der schwachen Wirtschaft und der sinkenden Industrieproduktion. Was fällt Ihnen aktuell als Erstes ein, wenn Sie an Deutschland denken?
Viel Glück. (lacht)
Danke.
Man könnte mehreren Ländern Glück wünschen, auch meiner österreichischen Heimat. Denn auf dem “alten Kontinent”, wie Trump sagen würde, gibt es strukturelle Probleme. Europa benötigt viel gute Industriepolitik, im Endeffekt Bidenomics: Der Inflation Reduction Act hat in vielerlei Hinsicht neue Wege aufgezeigt.
Wir benötigen massive Subventionen?
Und zwar gerechtfertigte! Egal, auf welche Schätzung man blickt: Für jeden Dollar, den der Staat investiert, kommen zwei, drei oder sogar fünf Dollar an privaten Investitionen. Darum geht es, das hat die Ampel-Koalition auch gemacht. Robert Habeck hat zig Milliarden an Unternehmen ausgeschüttet.
Bis ihm das vom eigenen Koalitionspartner verboten wurde.
Ja, aber nehmen Sie Thyssenkrupp. Die haben zwei Milliarden Euro erhalten und gehen trotzdem bankrott. Stattdessen entsteht im Norden Schwedens – wenige Kilometer südlich des Polarkreises – gerade für 6,5 Milliarden Euro das weltweit erste Niedrig-CO2-Stahlwerk. Das erhält eine Elektrolyseanlage und wird mit grünem Wasserstoff betrieben. Der CO2-freie Strom kommt aus Norwegen und Nordschweden, Wasserkraft und Wind. Das Unternehmen gab es vor fünf Jahren nicht, bereits 2026 will es Stahl produzieren. Das ist ein Startup! Die Kunden stehen bereits Schlange, auch Mercedes, BMW, Porsche und Volkswagen. Aber dieser Stahl wird nicht in Deutschland produziert, sondern im Norden Schwedens.
Das ist schön für die Schweden. Aber wie soll Deutschland diesen Umstieg schaffen? Es stecken nach wie vor viel Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze in alten Industrien …
Das schwedische Stahlwerk wird tatsächlich im Grünen gebaut. Die Region Boden hat 20.000 Einwohner, dort entstehen 2000 Arbeitsplätze. Das funktioniert bei Thyssenkrupp in Duisburg mit 30.000 Arbeitsplätzen nicht. Auch Salzgitter wird nicht mehr für ein neues Stahlwerk infrage kommen, die nächste Autofabrik wird auch nicht in Wolfsburg entstehen. Diese Werke wurden nah am Fluss gebaut, weil es dort Kohletransporte gab. Mittlerweile zählen andere Standortfaktoren, auch in meiner Heimat Österreich. Das letzte Stahlwerk steht in Linz. Das würde heute niemand mehr dort bauen.
Weil es in der Nähe keine günstige, erneuerbare Energie gibt?
Ja. Aber wer sagt, dass die günstige, erneuerbare Energie dort nicht entstehen kann? Das ist vielleicht der wichtigste Punkt: Solarenergie ist bereits der billigste Strom der Geschichte und wird nur noch billiger. Warum bringen wir diese günstige Energie nicht dorthin, wo sie benötigt wird, zu Unternehmen und Haushalten?
Der Solarausbau hat in Deutschland in den vergangenen Jahren gut funktioniert. Wir haben fast schon zu viel davon.
Zu viel für das Netz, Solarenergie fehlt noch. Wobei die Betreiber von Kohle- und Gaskraftwerken vielleicht zustimmen würden, denn wenn wir es kapitalistisch betrachten, stehen deren Profite auf dem Spiel: Schon jetzt kann jeder Einzelne am Balkon Solarstrom produzieren und die Profite der Stromunternehmen beschneiden. Das ist ein Problem für diese Unternehmen.
Wie man zukünftig Energie herstellen möchte, steht auch im Zentrum des deutschen Wahlkampfs. Die Parteien diskutieren die Optionen mitunter populistisch. Ist das eine Verteilungsfrage, wie man sie seit Jahrhunderten kennt?
Ja. Es gibt Nuancen und Unterschiede, und bei Themen wie der Bepreisung von Solarstrom oder Einspeisungsgesetzen wird es rasch kompliziert. Aber bei der Ampel war auch von dieser Seite des Atlantiks klar, wer die Interessen welcher Gesellschaftsschicht vertritt. Letztlich geht es darum, wie man die richtigen Impulse in der Wirtschaft forciert und technologische Trends unterstützt. Von der Elektrifizierung des Verkehrs oder erneuerbaren Energiequellen kommen wir nicht mehr weg.
Sie sagen, es geht nur in eine Richtung. Speziell die Grünen haben auch versucht, mit Subventionen gezielt Wirtschaftspolitik in diese Richtung zu machen. Das ist teilweise gelungen, teilweise aber auch gescheitert. Deswegen wird jetzt mit Begriffen wie Deregulierung und Technologieoffenheit geworben: Der Markt soll frei entscheiden, in welche Richtung es geht.
Technologieoffenheit ist ein Feigenblatt, um die Förderung traditioneller Energiequellen zu verdecken. Vielleicht wird es eines Tages einen Verbrennungsmotor geben, der mit grünem Wasserstoff funktioniert und das Fahrgefühl von vor 100 Jahren erhält. Aber meine Wärmepumpe hat einen Wirkungsgrad von 200 bis 400 Prozent. Die besten Gasheizungen stehen bei 90 bis 95 Prozent. Der Sieger dieses Vergleichs ist eindeutig. Das Wort “Technologieoffenheit” wird verwendet, um noch eine Gasheizung zu verkaufen.
Und Arbeitsplätze zu erhalten, die bei der Bundestagswahl zusätzliche Stimmen einbringen?
Aber welche Arbeitsplätze rettet man damit? Und wie lange? Wie gesagt: Das ist pure Physik.
In: “An E-Autos und Wärmepumpen kann auch Trump nicht rütteln” Gespräch mit Clara Pfeffer und Christian Herrmann, ntv/rtl Klima-Labor (23 Jänner 2025).
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