Batterien statt Kraftwerke

Deutschland hat es versäumt, eine konsequente Energiepolitik für die Zukunft zu machen. Stattdessen lähmt eine übervorsichtige Industriepolitik den Wandel. So bleibt man abhängig – von China und den USA.

von Monika Schnitzer & Gernot Wagner

Der Klimawandel kennt keine Ländergrenzen – er lässt sich nur durch internationale Kooperation bewältigen. Doch während die USA bremsen und Europa noch über den richtigen Kurs diskutiert, schafft China Tatsachen. Peking investierte im vergangenen Jahr umgerechnet weit über 500 Milliarden Euro in saubere Energien, das entsprach fast einem Drittel der weltweiten Investitionen in diesem Bereich. Erneuerbare Technologien – von Solardächern und Windparks bis hin zu Netzen und Energiespeichern – machten erstmals mehr als zehn Prozent des chinesischen Bruttoinlandsproduktes aus.

China baut damit nicht nur Solarpanels und Batterien, sondern eine neue wirtschaftliche Ordnung. Grüne Energiepolitik wird zur Industriepolitik. Wenn Europa und besonders Deutschland ihren Wohlstand sichern wollen, müssen sie den Anschluss finden – aus ökonomischer ebenso wie aus ökologischer Vernunft.

Übergangslösungen statt Wende

Der russische Angriff auf die Ukraine hat Europas Achillesferse offengelegt: seine Energieabhängigkeit. In Deutschland wurde sie besonders sichtbar. Jahrzehntelang stützte sich die deutsche Industrie auf billiges russisches Gas und verlor dadurch den Anreiz, in erneuerbare Energien und Infrastruktur zu investieren. Als die Preise im Jahr 2022 fast über Nacht explodierten, traf das die Wirtschaft besonders stark. Die Bundesrepublik schlitterte in eine über zwei Jahre währende Rezession. Im ersten Halbjahr 2025 meldeten in Deutschland 11.900 Unternehmen Insolvenz an, so viele wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Das ist auch eine Folge der Abhängigkeit von Erdgas.

Statt den Bruch als Wendepunkt zu nutzen, greift die Politik erneut zu Übergangslösungen. Bis zum Jahr 2030 sollen 30 bis 40 neue Gaskraftwerke entstehen. Gleichzeitig will die Bundesregierung das sogenannte Heizungsgesetz, das den Umstieg auf erneuerbare Wärme fördern sollte, wieder abschaffen. Und während über neue Kraftwerke gestritten wird, bleiben die eigentlichen Probleme ungelöst: fehlende Stromleitungen, unzureichende Speicher, veraltete Verteil-Infrastruktur. Der Ausbau von Netzen und Speichern hält mit dem Tempo der Umstellung auf Erneuerbare nicht Schritt. Immer häufiger müssen Windräder abgeregelt werden, weil Strom nicht eingespeist werden kann. Schon heute bleiben rund vier Prozent des erneuerbaren Stroms deshalb ungenutzt. Weil es im Energiemarkt Fehlanreize gibt, wird überschüssiger Strom produziert. Das verursacht hohe Kosten, 2024 kostete allein das Engpassmanagement knapp 2,8 Milliarden Euro. Beispielsweise bekommen Windanlagenbetreiber Geld für die Produktion, auch wenn ihre Windräder abgeregelt sind. Diese Versäumnisse in der Energiepolitik sind ein Problem für den Wirtschaftsstandort.

Hinzu kommt ein blinder Fleck bei der Planung des künftigen Energiebedarfs. Rechenzentren, Elektromobilität, Wärmepumpen und künstliche Intelligenz könnten den Stromverbrauch weitaus stärker treiben, als viele Prognosen, einschließlich jene des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, bisher annehmen. Wer hier konservativ rechnet, riskiert Netzüberlastungen, Versorgungsengpässe und damit eine abermalige Wachstumsbremse. Gerade in den Bereichen, die für die Wirtschaft der Zukunft zentral sein werden.

Kein Mangel an Innovationskraft

Gleichzeitig lähmt eine übervorsichtige Industriepolitik den Wandel. Milliarden fließen in den Erhalt traditioneller Branchen wie Auto, Chemie und Stahl, produziert mit Kohle, während Zukunftsfelder wie Batterien und Wasserstoff für die Produktion von grünem Stahl oder wissensintensive Dienstleistungen mitunter zu wenig Dynamik entfalten. Die erneute Diskussion über das Verbrenner-Aus ab 2035 verunsichert Unternehmen wie Käufer gleichermaßen. Sollte die Frist verschoben werden, fehlt den Firmen der Anreiz, sich von fossiler Technologie zu lösen. Derweil sind große Märkte wie China längst umgestiegen.

Dabei mangelt es nicht an der nötigen Innovationskraft. Europa hält mehr Patente in grünen Schlüsseltechnologien als China; allein zwischen 2016 und 2019 registrierte die EU in Bereichen wie Solar-, Wind- und Batterietechnik fast dreimal so viele Schutzrechte. Doch während Europa erfindet, produziert China: Fast alle in Europa genutzten Solarmodule und Batterien stammen aus chinesischer Fertigung. Die EU entwirft die Energiewende, baut sie aber nicht und droht im globalen Technologie-Wettlauf weiter zurückzufallen.

Die Zusagen im Handelsstreit, den USA über die nächsten Jahre im großen Stil Flüssiggas abzukaufen, machen es nur komplizierter. Deutschlands Energiepolitik steckt zwischen den Fronten: Die USA sichern sich durch fossile Förderung Unabhängigkeit, China dominiert mit Elektrifizierung, Netzen und grüner Industrie. Bleibt Europa beim jetzigen Tempo, droht doppelte Abhängigkeit von fossilen Importen aus dem Westen und grünen Technologien aus dem Osten.

Deutschland und die EU müssen jetzt handeln, um Strom bezahlbar, die Versorgung sicher und die Wirtschaft wettbewerbsfähig zu halten. Dafür braucht es keine neuen Debatten, sondern konkrete Investitionen in Netze, Speicher und Systemintegration. Hochspannungsleitungen, smarte Verteilnetze, Elektrolyse-Anlagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff und große Batteriespeicher sind das Rückgrat einer klimaneutralen Energiezukunft. Der Ausbau von Wind- und Solarenergie und der dafür notwendigen Infrastruktur müssen Hand in Hand gehen, denn nur im Zusammenspiel entfalten sie ihre volle Effizienz.

In Brüssel lässt sich dafür eine wichtige Grundlage schaffen. Wenn wie bisher in jedem Mitgliedstaat der EU andere Vorschriften gelten, entsteht kein Wettbewerbsvorteil gegenüber den USA oder China. Ein gemeinsamer Binnenmarkt für Energie hingegen, abgestimmte Ausbauziele und eine gezielte Industrie- und Investitionspolitik, angetrieben von der lange anvisierten Kapitalmarktunion, könnten Europa wieder zu einem Standort machen, der nicht nur importiert, sondern auch produziert.

Am Ende entscheidet Energiepolitik über mehr als nur über die Strompreise. Sie ist Industrie-, Sicherheits- und Standortpolitik zugleich und damit der Schlüssel dafür, ob Europa seine Zukunft selbst gestaltet – oder sie von anderen geliefert bekommt.

Monika Schnitzer ist Vorsitzende des Sach- verständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Professorin in München. Gernot Wagner ist Klimaökonom an der Columbia Business School in New York.

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