Falter: Stop Suburbia!

Von Benedikt Narodoslawsky

Gernot Wagner gehört zu den klügsten Klimawissenschaftlern des Landes, der gebürtige Amstettner lehrt als Ökonom an der New York University. Nach „Klimaschock“, gekürt zum Wissenschaftsbuch des Jahres 2017, legt er nun ein Plädoyer für ein Leben in der Stadt vor.

Warum ihn das Thema bewegt, ist folgender Bilanz geschuldet: In Vorstädten entstehen doppelt so viele CO2-Emissionen wie in Städten. Denn die Stadt ist effizienter. Hier werden Wege kurz und das Auto überflüssig, die Wohnfläche ist kleiner, damit verbraucht man weniger Platz und weniger Energie. Swimmingpool muss man auch keinen heizen. Zudem ist die Politik handlungsfähiger. Kleine Änderungen machen in der Stadt schnell große Unterschiede in der Klimabilanz – etwa wenn man Parkplätze verteuert oder von einer vierspurigen Straße zwei Spuren für Bus und Rad abzwackt. Vorstädte hingegen sind alternativlos aufs Auto ausgelegt, für Wagner sind sie „Naturund Klimakiller“. Genau das ist die Essenz des Buches: Die Politik müsse verhindern, dass Suburbia überhaupt erst entsteht.

Wagner handelt in seinem Buch große Klimabrocken wie Fliegen, Ernährung und CO2-Bepreisung ab, kehrt aber immer wieder zu seinem zentralen Thema zurück: der Urbanisierung und ihrer Bedeutung fürs Klima. Der Ökonom stellt dabei das „Immer mehr“ infrage. Brauchen wir wirklich immer mehr Platz, um glücklich zu sein? Wagner mischt Fakten mit persönlichen Erzählungen, er selbst lebt mit seiner vierköpfigen Familie auf 70 Quadratmetern in New York, auch wenn er sich mehr leisten könnte. Die Erde wird mit solchen Beiträgen auf der individuellen Ebene aber noch nicht gerettet. „Die echten Antworten beim Klimaschutz liegen in der Politik – und zwar nicht bloß im Umweltressort“, schreibt Wagner.

Derzeit befeuere diese noch den Traum vom Einfamilienhaus mit allen dazugehörigen Steueranreizen und Subventionen. Wohnbauförderung, Pendlerpauschale und eine verfehlte Raumplanung seien die Grundlagen für ein klimapolitisches Fiasko. Das Buch trifft einen Nerv. Gerade gingen in Deutschland unter Konservativen die Wogen hoch, weil ein Hamburger Bezirk keine Einfamilienhäuser mehr im Bebauungsplan vorsieht. Wer Wagners Buch liest, kann über diese Erregung nur den Kopf schütteln.

Stop Suburbia! Wir brauchen nicht mehr Platz, um glücklich zu sein”, Benedikt Narodoslawsky, Der Falter, 17. 3. 2021.

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