Gespräch mit Stefan Schmitt
Der neue US-Präsident will Klimaschutz beenden: Kann er gar nicht, sagt Ökonom Gernot Wagner. Trump werde die Wende verzögern, nicht aufhalten. Das weiß auch die Öllobby.
Umweltauflagen abbauen, Öl-, Gas- und Kohleförderung hochfahren und raus aus internationalen Klimaschutzverpflichtungen – das sind die Pläne einer erneuten Regierung unter Donald Trump. Die USA werden rasch wieder mehr CO₂ ausstoßen. Das sei alles sehr schlecht, sagt der Klimawirtschaftswissenschaftler Gernot Wagner. Was zähle, seien aber die Trends. Und die sprächen gegen Trump.
ZEIT ONLINE: Herr Wagner, markiert Donald Trumps Wahlsieg das Ende des Klimaschutzes in den USA?
Gernot Wagner: Selbst Trump kann die Energiewende nicht stoppen, nur verzögern. Und auch bei der Verzögerung wird er global kaum einen Effekt haben. Der Zug ist abgefahren. Da kann er wirklich nur der amerikanischen Wettbewerbsfähigkeit schaden, aber insgesamt ist es keine Frage des Ob, sondern nur des Wann und Wie schnell.
ZEIT ONLINE: Das klingt überraschend optimistisch.
Wagner: Beim Ausstieg aus fossilen Energieträgern sind ungeheure Marktkräfte am Werk. Schauen Sie nach Texas, das ist ein tiefroter, also republikanischer Bundesstaat. Und trotzdem wurden da im vergangenen Jahr mehr Solaranlagen gebaut als in Kalifornien. Dieser Boom begann übrigens, während Trump zum ersten Mal Präsident war.
ZEIT ONLINE: Damals hat Trump die USA aus dem Klimaabkommen von Paris geführt, das wird er jetzt wohl wieder tun.
Wagner: Ja, aber auch das ist nur symbolisch. Baku wird die Welt nicht retten, mit oder ohne Trump, Solarstrom, die mittlerweile billigste Energieform der Geschichte überhaupt, aber sehr wohl. Nicht Ob, sondern Wann: Sogar Saudi-Arabien hat mittlerweile ein Netto-Null-Ziel, das Jahr 2060. ExxonMobil, der größte Ölkonzern Amerikas, hat ebenfalls eines, für 2050.
ZEIT ONLINE: Auch Joe Biden wollte für die USA Netto-Null-Emissionen bis 2050 erreichen. Donald Trump hingegen möchte Bidens Klimaschutzpaket Inflation Reduction Act, das er bloß “green new scam” nennt, wieder einstampfen.
Wagner: Bei seiner ersten Präsidentschaft hat Trump rund 125 Gesetze und Bestimmungen zum Schutz von Klima und Umwelt abgeschafft. Vieles davon war stümperhaft umgesetzt und wurde fast sofort wieder rückgängig gemacht. Trotzdem sind, so hat es eine Kommission des Fachmagazins The Lancet berechnet, allein durch die zeitweilig lascheren Auflagen zur Luftverschmutzung allein im Jahr 2019 über 22.000 Amerikaner gestorben. Das zeigt, welch großen Schaden Deregulierung anrichten kann. Und dieses Mal sind Trumps Leute besser vorbereitet. Was sie tun wollen, wird sicher erhebliche Folgen haben.
ZEIT ONLINE: Donald Trump hat sich in seinem ersten Wahlkampf als Steinkohle-Fan inszeniert. Welche Folgen hatte das?
Wagner: Hat er, aber der Abwärtstrend war bereits nicht mehr aufzuhalten. Heute, acht Jahre später, die Kohle wiederbeleben? Viel Glück damit! Viel eher wird es um Gas gehen. Kein Land der Erde fördert im Moment mehr Erdgas als die USA – und das ganz ohne Trump.
ZEIT ONLINE: Was erwarten Sie dann von der neuen Regierung? Einfach eine Ausweitung?
Wagner: Ein konkreter Schritt wäre die Aufhebung von Bidens LNG-Exportbeschränkung. Das wird auch in Europa Gas ein bisschen billiger machen. Dazu kommen Dinge wie keine neuen Pachtverträge für Offshore-Windkraft. Ørsted baut gerade vor New Yorks Küste eine große Windanlage. Danach wird es eine temporäre Flaute geben.
ZEIT ONLINE: Werden die USA unter der künftigen Trump-Regierung mehr Treibhausgase emittieren, als sie das unter einer Harris-Regierung getan hätten?
Wagner: Natürlich, und das ist schlecht. Jede Tonne CO₂ zählt, aber die Trends zählen mehr. Solarenergie ist binnen 40 Jahren um den Faktor hundert billiger geworden, und die Preise fallen ja noch weiter. Dasselbe gilt für Batterien, für Elektrolyseanlagen zur Wasserstoffgewinnung, für Wärmepumpen und Induktionsherde. Mittlerweile verkauft Ikea Induktionsplatten für unter 60 US-Dollar. Ikea alleine wird die Welt nicht retten, aber diesem Trend kann sich auch Trump nicht in den Weg stellen.
Erschienen mit dem Titel “Mit oder ohne Trump: Solarstrom wird die Welt retten” am 12. November 2024 auf ZEIT.de.
»Selbst Trump kann die Energiewende nicht stoppen, nur verzögern«, sagt der Klimaökonom Gernot Wagner, der an der Columbia University in New York forscht. »Insgesamt ist es keine Frage des Ob, sondern nur des Wann und Wie-schnell.« Wagner hatte sich schon vor der Wahl mit den Folgen einer republikanischen Regierung beschäftigt. Er berichtet zum Beispiel, dass im konservativen Bundesstaat Texas im vergangenen Jahr mehr Solaranlagen gebaut wurden als im liberalen Kalifornien. Dieser Boom habe bereits in Trumps erster Amtszeit begonnen. Wagner rechnet vor: Solarstrom sei binnen vier Jahrzehnten um den Faktor 100 billiger geworden. Bei Wind- und Sonnenenergie seien »ungeheure Marktkräfte« am Werk.
Zitiert in: “Wer schützt jetzt noch das Klima?” von Stefan Schmitt, DIe ZEIT (14. November 2024).
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Wagner, Gernot. “What Will Trump’s Victory Mean for the Climate?” Project Syndicate (9 November 2024).